Teil 7 unserer Südamerika-Reise:
Von Lima (Peru) bis nach Baños (Ecuador)
 

Ein paarhundert Kilometer weiter entlang der Panamericana in Richtung Norden erleben wir die Auswirkungen eines Wetterphänomens, von dem man in ganz Südamerika - und nicht nur dort -
schon seit einigen Monaten spricht, das wir aber bislang noch nicht am eigenen Leibe erfahren hatten.

Überflutete Straße nördlich von Lima
(Man beachte im Hintergrund den umgestürzten Reisebus)

"El Niño" heißt die von Klimaforschern beobachtete, überdurchschnittliche Erwärmung des pazifischen Ozeans, die in Ihren Auswirkungen vor allem auch dem südamerikanischen Kontinent größte Probleme beschert.

Die Panamericana unterspült und auf große Strecken weggebrochen.

Starke Regenfälle an der Küste lassen die Flüsse übermäßig anschwellen und sorgen in der trockenen Wüstenlandschaft für Überschwemmungen, da der Boden hier solche Wassermassen nicht aufnehmen kann.
Für uns ist zu dieser Zeit ein Weiterkommen nur am Tage möglich, denn die Schäden, die die Wassermassen anrichten, sind kaum gekennzeichnet und nur am Tage wirklich zu sehen. Lediglich ein paar Steine kennzeichnen die weggebrochene Straße und den manchmal metertiefen Abhang, der unter der ehemaligen Fahrspur klafft.

Flussdurchfahrt - Pkws haben hier keine Chance

An einer Stelle mitten in der peruanischen Küstenwüste ist eine Brücke weggebrochen und die Fahrzeuge stauen sich vor dem reißenden Fluss in Kilometern Länge. Zwei armselige Bagger sind eifrig dabei, eine Behelfsbrücke zu bauen, indem sie Betonrohre in die reißende Strömung legen und mit Erde bedecken. Ein zeitaufwendiges und gefährliches Unterfangen, denn der Fluss ist an dieser Stelle über 200 Meter breit.

Weggespülte Brücke

Als wir uns mit unserem Unimog in die wartende Schlange von LKWs und Bussen einreihen, sind wir bereits die Nummer 472. Ein reges Treiben herrscht auf der Straße, mitten in der prallen Sonne bei über 35 Grad im Schatten, denn auch eine große Anzahl von Reisebussen steht mitsamt ihren Passagieren in der wartenden Kolonne - und das teilweise schon seit mehreren Tagen.

Wir sind Nummer 472 in der Schlange

Man wartet geduldig, läßt sich von heranbrausenden Händlern mit dem nötigsten versorgen, schläft in seinem Sitz und verrichtet seine Notdurft in der Wüste nebenan. Uns selbst ist das Warten hier zu eintönig, zumal bei den Bauarbeiten kein Ende in Sicht ist. Auf der Suche nach einer Alternative finden wir einen versandeten Weg, der ein paar Kilometer vor der LKW- Schlange seitlich ab geht und scheinbar zwischen Panamericana und Meer entlang führt. Wir nutzen unsere Chance.

Auch Busse und ihre Passagiere üben Geduld

Nach einigen Stunden und mit Allradantrieb durch Sandverwehungen durch Dünen landen wir tatsächlich am Fluss, jedoch auf einer meterhohen, senkrecht abfallenden Böschung, die für uns ein unüberwindliches Hindernis darstellt. Pech gehabt. Resignierend stellen wir uns mit unserem Unimog irgendwo ans Meer, immer mit Blickkontakt auf die blockierte Panamericana. Nach zwei Tagen des Wartens kommen LKWs wieder aus Richtung der Brücke. Ein gutes Zeichen. Unsere Reise kann weiter gehen.

Hinter der Grenze zu Ecuador - endlich wieder im feuchten Hochland

Von Sonne und Wüste haben wir nun echt die Nase voll und freuen uns auf das kühle, feuchte Hochland Ecuadors. Die Straße wendet sich im Norden Perus gegen Osten und führt stetig bergan. Wir überqueren bei Macará die Grenze und befinden uns endlich inmitten der lang ersehnten, sattgrün duftenden Vegetation Ecuadors, wo wir den ersten kühlen Gebirgsbach nutzen, um den Staub der Wüste ein für alle mal von unserer Haut zu waschen. Ab jetzt nur noch Hochland ...

Loja, Ecuador.

Trotzdem Ecuador eines der ärmsten Länder Südamerikas ist, empfinden wir dieses Land fast als einen Sprung zurück in die Zivilisation.
Hier fahren Autos, die diesen Namen verdienen, der permanente Geruch nach Fäkalien ist verschwunden und es gibt saubere, funktionstüchtige, öffentliche Toiletten. Hier sind die Häuser wieder verputzt, bunt angestrichen und in einem bewohnbaren Zustand. Hier gibt es neu aussehende Straßen und sogar Bürgersteige.

Loja, Ecuador

Loja, die südlichste Provinz Ecuadors mit ihrem gleichnamigen, beschaulichen Städtchen ist in sanfte Hügel eingebettet und genießt ein mildes, entspannendes Klima das ganze Jahr über. Nicht zuletzt deswegen ist die Region bis weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt dafür, dass hier ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Bevölkerung das einhundertste Lebensjahr deutlich überschreitet.

Die Kathedrale von Cuenca

Unser Weg führt uns weiter entlang der "Straße der Vulkane" bis nach Quenca. In einem breiten Andental auf 2550 m Höhe gelegen, war Quenca schon in präkolumbianischer Zeit besiedelt und für seine damals bereits weit fortgeschrittene Zivilisation bekannt. Aber auch nach der spanischen Eroberung blieb Cuenca als bedeutendes Zentrum in dieser Region bestehen. Zeugnis darüber legt die mächtige Kathedrale der Stadt ab, die mit ihren blauen Kuppeln, dem wunderschönen Inneren und dem massiv goldenen Altar noch heute eine der imposantesten und größten Kirchen in ganz Südamerika ist.

Der zentrale Markt in Cuenca

Wir bleiben einige Tage in Cuenca mit seinen alten kolonialen Häusern, schmiedeeisernen Gittern, hübschen Kirchen, Plätzen und Märkten.
Im Getümmel eines Marktes bewundern wir feine einheimische Webereien, Handarbeiten, Keramiken, Lebensmittel und exotische Früchte, die von bunt gekleideten, zumeist behüteten Frauen angeboten werden.

Ein Markt in Cuenca

Cuenca ist aber auch das industrielle Zentrum dieser Region und so besuchen wir u.a. auch eine große Manufaktur, in der die bekannten Panamahüte- von Bauern im Umland geflochten - weiterverarbeitet und in alle Welt verkauft werden.

Die Inkas nutzten Cuenca als Ausgangspunkt für die Ausbreitung ihres Reiches gegen Norden. Ein Zeuge aus dieser Zeit ist die gut erhaltene Befestigung "Incapirca", 36 km nördlich der Stadt, die wir auf unserem weiteren Weg ansteuern.

Die Ruine der Festung "Incapirca"

Aus dem Hochland Perus kommend, sind wir jedoch von imposanten Überbleibseln der Incas mittlerweile ziemlich verwöhnt und empfinden Incapirca nicht mehr als etwas wirklich besonderes. Viel besonderer dagegen ist "El Inca", ein Felsen, den wir unweit der Festung Incapirca entdecken. Man braucht nicht sehr viel Phantasie, um in ihm das Gesicht eines Menschen zu erkennen - eines Inca, wie man uns versichert.

La Cara del Inca

Weiter geht's nach Norden und durch eine atemberaubende Berglandschaft, in der einem aus allen Richtungen Vulkankegel entgegen "leuchten".
Wir fassen den Entschluss, bei der Stadt Licto die Straße der Vulkane zu verlassen und einen Weg zu suchen, hinein in den "Parque National Sangay". Dieser Nationalpark beherbergt einen der wenigen Vulkane, die ihre Aktivität in Form aufsteigender Rauchschwaden noch deutlich verkünden, der Sangay mit seinen stolzen 5230 Metern Höhe.
Nur eine einzige Straße führt in diese einsame Gegend. Stetig ansteigend schlängelt sie sich entlang einer steil abfallenden Bergwand und ist, zu unserem Bedauern, gerade mal einen halben Meter breiter als unser Unimog. Das würde nichts ausmachen, gäbe es nicht auf dieser Straße einen regen Gegenverkehr, meist Lastwagen oder Busse, welche die im Park liegenden kleinen Dörfer versorgen.

Auf dem Weg zum "Parque National Sangay"

Zwar gibt es alle paarhundert Meter Ausweichbuchten für die Fahrzeuge auf der Bergseite, aber die sind offensichtlich in den Augen der Ecuadorianer nur etwas für Weicheier. Lieber quetscht man sich zwischen Bergwand und Unimog an uns vorbei.
Klar, es kann ja auch nichts passieren, denn schließlich sind wir es, die den Abgrund auf ihrer Seite haben.

Riskante Passagen bei Gegenverkehr

Während ich also am Steuer unseren Unimog so nah wie möglich an den wartenden Lastwagen "vorbeipresse", ohne sie zu berühren, hat Heinz Dieter auf der Fahrerseite die Scheibe herunter gekurbelt und gibt mir Hinweise, ob die Grasnabe unter den Rädern unser Gewicht noch trägt, oder ob sie abzubrechen droht - ein paarhundert Meter senkrechten Abgrund dabei immer im Blickfeld.
Auf 40 Kilometern Wegstrecke sind wir nach jeder Passage eines entgegenkommenden Lastwagen in unserem Schweiß gebadet.

Auf der Rückfahrt vom Sangay

Leider bleibt uns der Sangay selbst verborgen, denn die Straße führt nicht ganz bis zu ihm heran und endet irgendwann im Nichts. Als Ersatz verbringen wir einige Tage im Kreise sturzbetrunkener, Karneval feiernder Dorfbewohner und unternehmen eine Tour zu Fuß, entlang eines Maultierpfades bis auf einen der umliegenden Bergrücken. Eine anstrengende Tour, von ca. zweieinhalb- auf viertausend Meter Höhe, bei der ich mir eine fette Höhenkrankheit einhandele, an der ich die nächsten Tage ordentlich zu knabbern habe.

"Öffentlicher Personennahverkehr"

Unserer nächstes Ziel ist Baños am Fuße des 5016 Meter hohen, aktiven Vulkanes "Tungurahua".

Papageien sind das Wahrzeichen von Baños.

Aus Holz geschnitzt begrüßen sie die Reisenden am Eingang der Stadt.

Baños (= Bäder) trägt seinen Namen wegen der zahlreichen Thermalquellen, die vom naheliegenden Vulkan gespeist werden und die das ganze Jahr über Touristen aus Ecuador and ganz Südamerika anlocken.
Ich kenne Baños noch von meinen Reisen nach Ecuador in früheren Jahren und so steuern wir zunächst das Hotel von Christian an, einem Deutschen, der vor einigen Jahren mit seiner Familie hier "hängen geblieben" ist und seit dem ein kleines Hotel betreibt und Pferde zum Reiten vermietet.

Das Zentrum von Baños

Der besondere Reiz dieses Hauses: Ein tropisches Flair mit Affen, Papageien, einem Faultier und dem besten Frühstück weit und breit. Doch leider ist Christian ausgebucht und wir müssen in ein Hotel im Zentrum ausweichen. Keine schlechte Alternative, denn das Hotel ist ebenfalls ruhig gelegen und bietet den Vorteil, dass wir unseren Unimog im Hof des Hotels sicher unterstellen können.

Eine Spezialität dieser Stadt sind Süßigkeiten aus karamellisiertem Rohrzucker, bei deren Anfertigung man überall in kleinen Läden entlang der Flaniermeile der Stadt zusehen kann.

Rohrzucker wird zu Süßigkeiten verarbeitet

Die Zuckermasse wird - an einem Haken in der Tür hängend - mit beiden Händen in die Länge gezogen, dann im Schwung wieder über den Haken geworfen und erneut in die Länge gezogen, bis die Masse homogen ist.

Wie überall in Ecuador findet man auch hier in Baños eine Delikatesse, die für das kulinarische Empfinden westlicher Gemüter ehr gewöhnungsbedürftig erscheint, aber durchaus lecker ist - Cui, gebratenes Meerschweinchen.

Cui - gebratenes Meerschweinchen - eine Delikatesse im ganzen Land

Am nächsten Tag machen wir mit Christians Pferden und einem Guide eine Tour durch die steilen Bergwiesen, entlang des Vulkans Tungurahua.

Mit Christians Pferden unterwegs

Picknick nach 3 Stunden im Sattel

Die Pferde strotzen vor Kraft und so wird der Ritt entlang der Wiesen und Felder, der Galopp über die schmalen Wirtschaftswege der Einheimischen und die phantastische Aussicht auf den Vulkan für uns zum einmaligen Erlebnis.

An einem anderen Tag mieten wir uns ein Motorrad - eine kleine Enduro - und erkunden die Umgebung.

Über der Stadt Banos

Straße nach Rio Pastazo

Reizvoll ist auch die in den Fels gesprengte Straße, die oberhalb und entlang des Rio Pastazo bis hinunter in den Dschungel führt und einen atemberaubenden Blick auf diverse Wasserfälle bietet. Die Straße führt durch mehrere unbeleuchtete Tunnels in denen das Tageslicht schon wenige Meter hinter dem Eingang von den Wänden vollständig verschlungen ist.

Herrlicher Ausblick bei einer Rast

Leider funktioniert an unserem Bike kein Licht und so bleibt uns in stockfinsterer Röhre nichts anderes übrig, als uns an der Wand entlang von einem Ende zum anderen langsam voran zu tasten.